Der Katholische Leseverein und die Koblenzer Fastnacht

Wenn auch die Begründer unserer Gesellschaft im Jahre 1863 aus anderen Motiven ihr Werk ins Leben riefen, so fand doch in späteren Jahrzehnten das althergebrachte närrische Treiben auch im Leseverein eine Pflegestätte. Mit Freude dürfen wir feststellen, dass es bis heute so geblieben ist. 
 

Von den Anfängen bis in die 1950er Jahre [mehr]

Eine Session ohne die "Lese" gibt es nicht  [mehr]

 

               
         
   
                 
       
                 
       
                 
       
                 
       
                 
       
                 
       

 

   

   _______________________________________

 

Von den Anfängen bis in die 1950er Jahre
 

In der Festschrift zum hundertjährigen Bestehen unseres Vereins sucht unser Mitglied Peter Kloke die im Dunkeln des 19. Jahrhunderts liegenden Wurzeln der Lese-Fastnacht und beschreibt die Entwicklung bis in die frühen 1960er Jahre. So wie mit anderen Äußerungen des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens unserer Vaterstadt, war und ist der Katholische Leseverein auch mit der "Kowelenzer Faasenacht" verbunden.

Wenn auch die Begründer unserer Gesellschaft im Jahre 1863 aus anderen Motiven ihr Werk ins Leben riefen, so fand doch in späteren Jahrzehnten das althergebrachte närrische Treiben auch im Leseverein eine Pflegestätte. Mit Freude dürfen wir feststellen, dass es bis heute so geblieben ist. 

Mit Maß und in Grenzen gefeierte Fastnacht ist Ausdruck des Volkstums unserer rheinischen Heimat. Darum hat die Feier dieses Volksfestes mit Recht ihren Platz im Leben unseres Vereins. Wann die ersten Sitzungen und Maskenbälle gehalten wurden, ist leider nicht festzustellen. Aus Inseraten in alten Zeitungen vor der Jahrhundertwende geht aber schon hervor, dass man jedes Jahr im Katholischen Leseverein dem Karneval huldigte. Zu Lichtmess fand meistens die erste Sitzung oder ein Ball statt. Am Schwerdonnerstag gab es die Herrensitzung, zu der Damen keinen Zutritt hatten. Daneben gab es dann noch 2 oder 3 Sitzungen mit Damen und die Maskenfeste. Zutritt hatten nur Mitglieder und von Mitgliedern eingeführte Gäste. Die Sitzungen bestritt der Verein mit Rednern aus den eigenen Reihen. Es gab Mitglieder, die als Verfasser humorvoller Lieder hervortraten, die zu bestehenden oder eigens komponierten Melodien gesungen wurden. Mancher Büttenredner, der bei den offiziellen Karnevalsgesellschaften im Residenz- Theater (heute Apollo-Kino) oder später in der alten Festhalle in die "Bütt" steigen durfte, hatte sich seine ersten karnevalistischen Erfolge in den Sitzungen des Lesevereins errungen. So war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 der Leseverein mit dem karnevalistischen Treiben in Koblenz eng verbunden. Besonders traten als stadtbekannte Karnevalisten unsere Mitglieder Peter Schottler, Josef Eisenach, Anton Kilzer, Moritz und August Watrinet und Jean Keil hervor, um nur einige zu nennen. Nicht vergessen sei Winand Jechel, der im Jubiläumsjahr 1963 auf 50 Jahre Vereinstätigkeit in diesem Sinne zurückblicken kann. Als in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg die Karnevalsveranstaltungen wieder aufgenommen wurden, da stand auch der Leseverein nicht zurück. Er ermöglichte es seinen Mitgliedern und deren Freunden, in altgewohnter Weise im eigenen Vereinshause Karneval zu feiern. Den Machthabern des "Tausendjährigen Reiches" fiel es ausgerechnet zu Karneval 1937 ein, den Katholischen Leseverein gleichzuschalten; die angesetzten Veranstaltungen sollten schon ausfallen, da traten kurzentschlossen der Mosel-Hochwald-Hunsrück-Verein und der "Geländerverein" als die Veranstalter auf. Sitzung und Maskenball waren gerettet. Man sieht, rechte Narren verstehen es, auch Diktatoren an der Nase herumzuführen! 

Aus Schutt und Trümmern stand nach dem Zweiten Weltkrieg "Prinz Karneval" wieder auf. Er und seine Anhänger fanden im Görreshaus den einzigen großen Saal in der Stadt, der trotz aller Kriegsschäden noch zu benutzen war. So diente der Görresbau nicht nur als provisorisches Landtagsgebäude, sondern auch als "Narrhalla" der Karnevalsvereine. Auch der Leseverein selbst, der schon sehr bald wieder eine stattliche Mitgliederzahl auszuweisen hatte, setzte die Karnevalstradition in den eigenen Reihen fort. Winand Jechel und Peter Keil waren es, die mit Unterstützung des Vorstandes und eines Elferrates die ersten Sitzungen und Bälle wieder aufleben ließen. Als närrischer Präsident löste Willi Dienz Peter Keil ab. In jedem Jahr wurden jetzt Sitzung und Ball wieder durchgeführt. Als Willi Dienz 1952 aus beruflichen Gründen Koblenz verließ, wählte der Elferrat sein jüngstes Mitglied Willi Hörter als Präsidenten. Er ist es bis heute geblieben und leitet seit 1962 auch die Sitzungen der "Großen Koblenzer Karnevals-Gesellschaft" als Präsident. Unter den Karnevalsprinzen der letzten zehn Jahre waren mehrere auch Mitglied des Katholischen Lesevereins: Werner Kratz, Heini Michiels, Paul Blaumeiser, Gerd Lütke und 1962/63 Prinz Helmut Queng. Als zu Fastnacht 1959 Koblenz keinen Prinzen gefunden hatte, da zog als Prinz des Lesevereins Winand Jechel, begleitet von Hofmarschall, Garden und Pagen im Prunkornat in das Görreshaus ein! Was den offiziellen Karnevalsgesellschaften nicht gelungen war, der Leseverein hatte es aus den Reihen seiner Mitglieder geschafft. Überraschung und Jubel der Sitzungsbesucher waren groß. Durch viele Jahrzehnte seines Bestehens gehören die Karnevals-Festlichkeiten zum Veranstaltungsprogramm des Lesevereins. Sie sind zu einer Tradition geworden, deren Pflege den Mitgliedern am Herzen liegt.

_______________________________________

 

Eine Karnevalssession ohne „Lese“ gibt es nicht
 

Unser Verein ist eine Besonderheit im Reigen der Koblenzer Karnevalsvereine, ist er doch gar kein Karnevalsverein. Trotzdem wird in der „Lese“ immer schon Fastnacht gefeiert; eine Karnevalssession ohne die „Lese“ gibt es nicht.

Lassen sich die Anfänge des Karnevals in der „Lese“ heute  nicht mehr genau rekonstruieren, sind doch viele Namen noch bekannt. Männer, die schon vor dem Ersten Weltkrieg den Karneval in unsrem Verein prägten, waren: Josef Eisenach, Anton Kilzer, Wienand Jechel, Moritz und August Watrinet.

Der Erste Weltkrieg zwang ebenso zur Pause wie die Gleichschaltung des Katholischen Lesevereins im Jahr 1937.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen Wienand Jechel und Peter Keil die ersten Sitzungen und Bälle wieder aufleben. Willi Dienz wurde Präsident. 1952 übergab er dieses Amt an das damals jüngste Elferratsmitglied Willi Hörter. Unser späterer Oberbürgermeister hatte sich die ersten Sporen als Protokollarius der „Lese“ verdient, wo er seinen Vater Willy Hörter sen. abgelöst hatte. 20 Jahre blieb Willi Hörter Präsident der Lese, bis ihm nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister (1972) Alfons „Itsche“ Sauerborn als neuer Präsident folgte.

Unter Itsche Sauerborn, unserem verstorbenen Ehrenmitglied, erhielten die Sitzungen jedes Jahr ein neues Motto. Der Elferrat war entsprechend kostümiert; ein neues Bühnenbild wurde gestaltet.

Über Schlossherren, Bücherwürmer, Lesezirkus und Marktplatz brachten Itsche und unser Elferrat viele Themen auf die Bühne. In dieser Zeit produzierte der Veranstaltungsausschuss den jährlichen Sessionsorden selbst. Im Werkraum von Gerhard Genzler wurden Jahr für Jahr die originell-kunstvollen Emailorden liebevoll hergestellt.

Nach 13 Jahren übergab Itsche Sauerborn 1985 das närrische Zepter an Rudi Schmidt, im „Nebenamt“ auch Präsident des Dähler Bornskrug. Die Tradition selbsthergestellter Orden blieb erhalten.

Im Jubiläumsjahr 1988 (125 Jahre Katholischer Leseverein) wurde Michael Hörter neuer Präsident, er setzt seitdem die Familientradition fort. 

Im Jubiläumsjahr hatte sich der Elferrat etwas Besonderes einfallen lassen. Präsentierte er sich in der ersten Halbzeit  als alte Herren aus der Zeit des Gründungsjahrs 1863, war er nach der Pause in der Gegenwart angekommen: 11 Punker, meisterlich von Artur Kraeber gestaltet. Das fast fünfstündige Programm stand unter dem Motto:

„Lese-Sitzung-Jubel-Lese, 125 Jahre immer schon gewese.“

Auch in den folgenden Jahren griff der Elferrat Themen auf und stellte die Sitzungen unter ein bestimmtes Motto.

Der „Lese“-Karneval lebt von den Aktiven des Veranstaltungsausschusses, die Jahr für Jahr mit viel Liebe und Freude die Sitzungen vorbereiten. Über viele Jahre war Itsche Sauerborn ihr „Vorsitzender“. Heute ist es Hans Breuer.

1991 wurde eine neue Ordensserie aufgelegt. Die Ära der selbstgefertigten Orden bei Gerhard Genzler ging zu Ende.

Mit der zerstörten Karmeliterkirche beginnend, wurden Koblenzer Gotteshäuser gewürdigt. Wegen des Golfkrieges sagten in Deutschland überall die Karnevalsoberen die fröhlichen Tage ab, so auch die AKK in Koblenz. Der Orden mit der Karmeliterkirche war bereits ausgeliefert, kam aber praktisch nicht zur Verleihung.

Im folgenden Jahr wurde die „frischerhobene“ Basilika St. Kastor dargestellt. Prominenteste Ordensträger waren der Apostolische Nuntius Erzbischof Dr. L. Kada und der Bischof von Stockholm, Dr. H. Brandenburg. Die Serie wurde bis 2001 fortgesetzt und ein begehrtes Sammelobjekt in Kreisen der Karnevalisten. Seit 2002 präsentieren wir alte Orden aus längst vergangenen „Lese“-Tagen in Neuauflage.

Einen Einschnitt ganz anderer Art gab es 1994. Unser Sitzungspräsident Michael Hörter wurde Prinz Karneval. Erstmals in ihrer 4 x 11-jährigen Geschichte stellt die AKK den Prinzen. Peter Burger schrieb zum Ende der närrischen Session: „Die Koblenzer Narrenwelt erlebt eine der schönsten Kampagnen der letzten Jahre. Welch ein Prinzenpaar! Michael Hörter und Karin Jost gelang es mühelos zu beweisen,  dass sie alles andere als eine Notlösung waren.“

 Koblenz hatte zwar einen Prinzen, die „Lese“ aber plötzlich keinen Präsidenten. Aber wir wären nicht die „Lese“, wenn wir für diese einmalige Situation keinen adäquaten Ersatz gehabt hätten. Unser Vorsitzender Dr. Ewald Thul erklärte sich bereit einzuspringen und präsentierte eine grandiose Sitzung.

1995, der Kammermusiksaal der Rhein-Mosel-Halle war eindeutig zu klein geworden, die Nachfrage nach der Lesesitzung längst so gestiegen, dass wir in den großen Saal wechseln mussten. Ein neues Bühnenbild wurde erstellt. Toni Scherpe entwarf einen riesigen Clown, der die ganze Bühne der Rhein-Mosel-Halle beherrscht. Der ganze Elferrat – bis zur Unkenntlichkeit geschminkt – steckte in bunten Clownskostümen. Dieses farbenprächtige Bild bestimmt die Lesesitzungen seitdem.

1999 besteigt einer der ganz Großen, nach 10-jähriger Abstinenz, wieder die Bütt: Werner Laube, der Redner der Klamaukpartei. Jahr für Jahr erfreut er nun -  ausschließlich in der Bütt der „Lese“ – mit seinen geschliffenen Reden unser Publikum.

Peter Burger titelte in der Rhein-Zeitung nach der Sitzung dieses Jahres: „Katholischer Leseverein präsentierte das Beste aus dem Karneval der Stadt“.

In der Tat kamen und kommen viele Redner gerne zur „Lese“. Sie schätzen die gemütlich-familiäre Atmosphäre.

Unmöglich, alle Namen aufzuzählen! Einige seien doch genannt: Karl Rosenbaum, Rolf Diell, Heinz Grindel, Monika Kräber, Peter Fischer, Karl Wörsdörfer, Dieter Siefarth, Hans Nobel und viele mehr. Auch viele „Eigengewächse“ wie Sonja Werner, das „Lesequatschtett“ (Peter und Sabine Alfter, Nico Thomé   und Stefan Helm), Hermann-Josef Wittbecker, Peter Kloke, Peter Iven, Dieter Balzer, Rolf Perscheid und unser neuer Protokollarius Stefan Otto gaben und geben den Sitzungen der „Lese“ eine unverwechselbare Note.

Es sind aber nicht nur die Redner, die gerne zur „Lese“ kommen. Die Koblenzer Tanzgruppen genießen einen hervorragenden Ruf. Viele von ihnen sind Rheinland-Pfalz- oder Deutsche Meister. Sie bereichern jedes Jahr unsere Sitzungen. Seit 2002 begeistert auch die Ballettschule Stützer unser Publikum. 

Lassen wir nochmals Peter Burger zu Wort kommen: „Du glückliches Koblenz! Welch tolle Weine wachsen doch an den Rebhängen von Rhein und Mosel. Welch närrische Gewächse sind hier zu Hause. ‚Kellermeister’  Michael Hörter weiß nur allzu gut, in welchem Keller die besten Tropfen lagern. So  präsentierte er in der ‚guten Stube der Stadt’ eine Aus-‚Lese’  der Besten des Koblenzer Karnevals.“

Katholischer Leseverein und Karneval – eine alte, doch immer jung gebliebene Tradition, die aus Koblenz nicht wegzudenken wäre.

Fazit: Et war on es immer widder scheen gewese!

H. Breuer  
   
[zu Veranstaltungen]

[nach oben]