1997

„Gierige Promis und Nackte im Lift“

 

Traditioneller Abschluß des Koblenzer Sitzungskarnevals in der Rhein-Mosel-Halle - Narren zündeten unterhaltsames Feuerwerk
Gierige Promis und Nackte im Lift
Kappensitzung beim Katholischen Leseverein: Eine rundum gelungene Sache

KOBLENZ. KA. Wenn von der "Mutter der Betroffenheit" die Rede ist, laufen Karnevalisten zur Hochform auf. Dienstwagen und Düsenjets verleihen der Phantasie nun mal Flügel. Natürlich war Rita Süssmuth auch bei der Kappensitzung der "Lese" Thema Nummer eins.

Die Narren, die am Mittwoch in der Rhein-Mosel-Halle das große Finale des Koblenzer Sitzungskarnevals feierten, begnügten sich jedoch nicht damit, allein die Polit-Prominenz aufs Korn zu nehmen. Ihr fröhlicher Rundumschlag machte auch vor dem Elferrat des Katholischen Lesevereins nicht halt.

Beliebtes Opfer: Dr. Ewald Thul, der Michael Hörter im Präsidium würdig vertrat. So vermutete das personifizierte "Karnevalsdenkmal" Karl Rosenbaum, daß sich der Präsident des Landgerichts um sein närrisches Amt gerissen habe. Der Job sei die letzte Chance für ihn, auch einmal Beifall zu bekommen.

Thul sah dem Narrenulk gelassen entgegen, hatte er doch gerade seine Feuertaufe als "Protokoller" bestanden. Unter der Devise "so mancher denkt mit Angst und Graus: Wie komm' ich mit den Moneten aus?" berichtete er über die Schattenseite des vergangenen Jahres und lieferte die tröstenden Worte "doch wollen wir nicht ständig weinen - die Sonne wird uns wieder scheinen!" gleich mit.

Natürlich kam die glänzend-spektakuläre Seite des Sitzungskarnevals nicht zu kurz. Jugendspielmannszug Arzheim und Stadtsoldaten geleiteten die Augenweiden des Abends auf die Bühne: die Tänzerinnen und Tänzer der Narrenzunft Gelb-Rot mit den beiden "Solisten" Ursula Dziallas und Markus Scherer. Die Aktiven brillierten zunächst in der Gardeformation, später als Schautanzgruppe mit "Dschungelabenteuern". Die Zuschauer waren von der akrobatischen Glitzernummer begeistert, die von Ellen Friedrich einstudiert worden war und den Gelb-Roten den Titel des Vize-Landesmeisters brachte.

Ihre Verbundenheit mit der "Lese" zeigten auch die Gülser Husaren, die mit einem Großaufgebot und der Jugendgarde erschienen waren. Mit militärischem Drill und dem traditionellen Säbeltanz erzwangen sie Rakete und Zugabe.

Und dann gab es noch ihn: den jüngsten Gast des Abends. Sören Vogelsang von der Karnevalsgesellschaft "Blau-Weiß" Bad Breisig stieg wie ein "Großer" in die Bütt und berichtete von der wundersamen Verwandlung seiner Eltern, die aus niedersächsischen Gefilden stammen, in denen immer Aschermittwoch ist.

Der Umzug an den Rhein schlug auch auf das Gemüt der elterlichen "Gruftis". Jetzt kennt der Elfjährige Vater und Mutter nicht wieder, da sie jetzt ihre "Midlifecrisis" keineswegs als graue Trauerklöße, sondern als durchgestylte Faasenachter und Diskogänger bewältigen.

Sonja Reuther und ihr Vater Bernd Rademacher machten die Berichterstattung über Beziehungsprobleme zum Thema. Variante eins: "Wo wird berichtet, wenn ein Mann seine Frau aus dem Fenster stürzt? - In der Bild-Zeitung!" Variante zwei: "Wo steht es, wenn eine Frau ihren Mann aus dem Fenster stürzt? - In Schöner Wohnen!".

Nicht nur die "Eigengewächse", sondern auch die Sitzungskapelle "Flying Bongos" sorgte für beste Stimmung im Saal. Beppo und Micha alias Rolf und Michael Fischer von den Metternicher Funken setzten mit ihrer gekonnten Mischung aus beißender Satire und Musik noch einen drauf. Traditionsgemäß sorgte Rolli Diell mit seinen Berichten über Striptänzerinnen und Nackte im Fahrstuhl dafür, daß die Sitzung eine runde Sache war.

Quelle: RZ-Online Zeitungsarchiv